Komplimente - Nein Danke!... oder vielleicht doch?
- Beate Gradmann
- 29. Mai
- 3 Min. Lesezeit

Letzte Woche war ich in einem Seminar zur Gewaltfreien Kommunikation (GfK) –
ein Modell von Marshall B. Rosenberg, das darauf abzielt, Beziehungen zu stärken und Konflikte friedlich zu lösen.
Im Zentrum stehen vier einfache, aber kraftvolle Schritte: BEOBACHTUNG, GEFÜHL, BEDÜRFNIS, BITTE.
In einem meiner letzten Beiträge hier habe ich noch geschrieben: Wir dürfen Komplimente ruhig annehmen. Und jetzt? Sitze ich da – und höre von Rosenberg selbst:
KOMPLIMENTE? KÖNNEN GENAUSO GEWALTVOLL SEIN WIE BELEIDIGUNGEN. WAIT… WAS?
Denn oft – so seine Sicht – kommen Komplimente oder Lob nicht aus echter Wertschätzung, sondern aus dem Wunsch, zu motivieren, zu manipulieren, zu belohnen. Und das funktioniert meist nur kurzfristig.
Sein Vorschlag:
WEG VOM SCHNELLEN „GUT GEMACHT!“, HIN ZU ECHTER DANKBARKEIT.
Ein Beispiel:
Wenn eine Professorin zu ihrer Studentin sagt: „Das war ein sehr guter Essay – du bist eine tolle Schriftstellerin“, ist das nett – aber wenig hilfreich fürs Lernen.
Ganz anders klingt es, wenn sie sagt: „Die vielen Fakten in deinem Essay haben mich begeistert – das hat mein Bedürfnis nach Klarheit zu dem Thema richtig erfüllt. Das ist spezifisch, ehrlich, wirksam.
Gerade im Arbeitskontext kennen wir Lob und Feedback oft nur als Teil einer Leistungskultur.
Und viele von uns – besonders wir Frauen – sind früh mit Komplimenten groß geworden, oft über Äußerlichkeiten: „Du bist aber hübsch / süß / nett …“Was liebevoll gemeint ist, kann auch ein verzerrtes Selbstbild fördern – und mit Anerkennung verwechselte Zuneigung.
Natürlich gibt es auch die ehrlichen Komplimente, die verbinden und bestärken:
„Du strahlst so viel Lebensfreude aus – das steckt an.“
„Ich finde dich richtig sympathisch – dein Humor tut einfach gut.“
„Dein Kleid ist farblich so besonders – du bringst richtig Farbe in den Raum!“
„Deine neue Website ist beeindruckend – ich sehe, wie viel Herzblut da drinsteckt.“
Diese Art von Wertschätzung ist wohltuend – und sie lässt uns aufmerksamer werden für das, was unausgesprochen bleibt. Denn manchmal liegt das Entscheidende nicht im Lauten, sondern im Unscheinbaren.
Und genau hier schließt sich ein weiteres Thema an, das mich in diesem Monat sehr beschäftigt hat:
DISKRIMINIERUNG IST LEISE – BIS MAN GENAU HINHÖRT.WAS, WENN VIELFALT NICHT NUR EIN WORT BLEIBT – SONDERN UNSER HANDELN VERÄNDERT?
Diskriminierung ist oft unsichtbar für die, die sie nicht erleben.
Sie schleicht sich in Alltägliches, in unbewusste Gesten, in gut gemeinte Worte. Bis man lernt, wirklich hinzuhören.
Ich war auf dem „Gipfel der Vielfalt – Antidiskriminierungstage 2025“ im HKW. Es waren zwei Tage voller Gespräche, Impulse und Aha-Momente rund um Diskriminierung, Gerechtigkeit und die Kraft echter Diversität.
Ich war oft berührt. Nicht nur als Teilnehmerin, sondern als Mensch. Da saßen Menschen vor mir, die ihre Verletzungen und Kämpfe teilten – aber auch ihre Vision für eine gerechtere Welt. Besonders nahegegangen sind mir die Panels zu Frauen und intersektionaler Diskriminierung.
Eine Rednerin sagte: "Gleichberechtigung ist kein Geschenk, um das wir höflich bitten – es ist ein Recht, für das wir einstehen müssen".
Das hat nochmal deutlich gemacht, wie viel Mut und strukturelle Veränderung es braucht, um Gleichberechtigung wirklich zu leben.
Ich ertappte mich dabei, wie ich meine eigenen, tief verankerten Annahmen hinterfragte.
Wir alle tragen Vorurteile in uns, die so selbstverständlich erscheinen, dass wir sie kaum bemerken. Teil unseres Denkens, unseres Handelns – ohne bewusste Reflexion.
Ich habe viel mitgenommen. Vielfalt ist kein Nice-to-have. Sie ist die Grundlage für Innovation, für Wachstum, für menschliches Miteinander.
ICH GLAUBE, AM ENDE GEHT’S EINFACH DARUM, DASS WIR BEWUSSTER WERDEN –
in dem, was wir sagen, wie wir anderen begegnen und wie wir die Welt um uns herum mitgestalten und wenn wir lernen, wirklich hinzuschauen und zuzuhören, dann fängt echte Wertschätzung und Vielfalt erst richtig an. Es braucht gar nicht immer große Schritte – manchmal reicht es, wenn wir ein bisschen aufmerksamer sind, ehrlich, offen, und bereit, uns selbst zu hinterfragen.“
Für mich heißt das: achtsamer und klarer zu sein – im Umgang mit mir selbst und mit anderen. Da beginnt wirkliche Veränderung.
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